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Konzert von Duo Seňor Blues auf dem Internationalen Film Festival

Das Duo Señor Blues spielt in der dünn besetzten Schlossberghalle Songs von Horace Silver bis Tom Waits und beweist wieder, dass Konzerte zu den Höhepunkten im Programm des Festivals gehören

 Schon der erste Song ist ein Coup. Der Gitarrist mit Strohhut und dem schönen Namen Guido Rochus Schmidt spielt auf seiner Resonator Slide, das schwebt dann so sehnsuchtsvoll, satt und selbstverständlich dahin, dass man gleich die unergründliche Weite von Texas vor sich sieht und Ry Cooder. Muss nichts heißen. Vielleicht denkt man bei Slide-Gitarre automatisch an Ry Cooder. Bald taucht das eigentliche Blues-Thema auf, einfach, langsam und mit Groove geht es weiter, Schmidt und sein Bühnenpartner Tom Höhne lassen sich Zeit. Und dann singt Schmidt dreimal „Dark Was The Night“, und das Stück ist zu Ende. Was für ein gegen den Strich gebürsteter Auftakt!

 Señor Blues trauen sich was, die Fans und die Stammgäste des Fünfseen-Festivals wissen das. Zum dritten Mal tritt das Duo, das laut Eigenbeschreibung den „Modern Hoodoo Downhome Blues “ hochhält, auf dem Filmfest auf. Und auch wenn die Konzerte nur eine Randerscheinung dieses Großereignisses sind – sie gehören zum Besten, was Kinochef Matthias Helwig zu bieten hat. 2015 beispielsweise kam Wim Wenders mit der Band Infamis an, und diese Berliner Cowboys waren eine Entdeckung. Statt düsterem Großstadtsound gibt’s nun also Musik von Bluesheroen wie Blind Willie Johnson, Horace Silver, J. B. Lenoir und Robert Johnson in der Schlossberghalle. Daneben aber auch Folk, Standards, Boogie, eigene Kompositionen und Stücke von Eric Bibb, Keb‘ Mo‘, Taj Mahal und Tom Waits. Die Reihen sind licht besetzt. 50, 60 Zuhörer, das muss an der Sommerhitze liegen. Helwig ist trotzdem guten Mutes, wohl auch, weil der Dienstag so turbulent war. Er sei heute sogar schwimmen gegangen, sagt er.

 Señor Blues baden mehr im Zwölf-Takt-Schema und seinen Abwandlungen. Wobei baden fast schon zu opulent klingt. Höhne und Schmidt sind nämlich die Großmeister des Minimalismus. Zwei Männer, zwei kleine Verstärker, drei Gitarren – das muss reichen. Tut es auch. Höhne spielt auf seiner Baritongitarre mit extrem dicken Saiten nämlich auch den Bass mit. Und Schmidt singt ganz unverstellt und natürlich. Seine warme, weiche und dunkle Stimme haut einen im ersten Moment nicht um, sie ist auch gar nicht bluestypisch, schmeichelt sich aber über kurz oder lang ins Ohr. Beide Musiker verzichten auf fast alle Effekte und auf fragwürdige Zauberei, Höhne spielt seine hakeligen Solos sogar erdig, ohne jeden Hauch von Verzerrung und so trocken, dass es staubt. Für einen Gitarristen bedeutet das, in Unterhosen auf der Bühne zu stehen, weil sofort die kleinste Ungenauigkeit zu hören ist. Aber genau das macht auch den Reiz aus: dass sich dieses Duo hinter nichts versteckt und den Blues so ehrlich, rau, scheinbar simpel und mit unbeirrbarem Goove abzirkelt. Ob das jetzt authentisch ist oder modern interpretiert, spielt kaum noch eine Rolle.

 Hinzu kommt, dass dieses Konzert auch eine kleine Geschichtsstunde ist. Schmidt erklärt nämlich viel zu den Komponisten und ihren Songs. Er erzählt, dass Ry Cooder tatsächlich Blind Willy Johnsons „Dark Was The Night“ als Grundlage für die Filmmusik zu Wenders „Paris, Texas“ benutzt hat. Er plaudert über die zwei Stahlarbeiter John Hardy und John Henry, die in Balladen und Traditionals verewigt worden sind. Letzterer organisierte Streiks gegen die Automatisierung in der Stahlbranche und trat zu einem Wettkampf gegen einen Dampfhammer an, den er gewann, aber leider nicht ganz, weil er danach an einem Herzinfarkt starb. Und er erwähnt, dass Lynyrd Skynyrd mit „Sweet Home Alabama“ die Rassendiskriminierung in den Südstaaten verherrlicht haben sollen. Was die Band anders sah.

Die zwei schönsten Lieder an diesem Abend sind ohnehin weder von Südstaatenrockern noch von uralten Blueshelden: Senor Blues spielen eine Nummer von Eric Bibb und einen Slow Blues von Schmidt („Baby, Drive Me One More Time“). Und beide Songs klingen so raffiniert und hinreißend, dass die wenigen Zuhörer applaudieren, als wären doppelt so viele Leute im Saal.

Gerhard Summer, Süddeutsche Zeitung, 4.8.2017

Duo Señor Blues Schlossberghalle Starnberg 2.8.2017

Freiheit – auch wenn sie schmerzt

​Lyrik und Blues in Harmonie

Lyrik und Blues konnte man in der Buchhandlung Colibri in Dießen erleben: Originelle, schräge und überraschende Lyrik des kalifornischen Dichters Will Staple, eingerahmt vom mal melancholischen, mal heiteren Sound vom Duo Señor Blues. Die beiden Musiker Guido Rochus Schmidt und Tom Höhne boten an diesem Abend auch eine „Weltpremiere“. Will Staples Gedicht „Invite/Einladung“ hat sie zu einem Song inspiriert, den sie erstmals ihrem Publikum präsentierten. Die letzten Zeilen lauten: Aber warte nicht alter Freund, bis die Berge ihren Schnee verlieren“.

Dr. Sabine Vetter, Ammerseekurier

Duo Señor Blues mit Will Staple und Egon Günther in der Buchhandlung CoLibri, Tutzing 25.9.2019

Puristen am Werk

Die Musiker aus Andechs und Solln haben nach vier Jahren ihr erstes Album mit eigenen Stücken vorgelegt, die mit Songs von Robert Johnson oder Tom Waits mithalten können

Von Gerhard Summer

Wer die Musik dieses Duos hört, denkt womöglich an Texas, Louisiana, ans Mississippi-Delta und andere lieb gewonnene Klischees. Aber an Andechs und Solln? Doch, stimmt schon: Die Gitarristen Guido Rochus Schmidt und Tom Höhne, die den Blues so geradlinig, kantig und ohne Schnörkel spielen, als kämen sie aus Houston, Memphis oder Baton Rouge, leben in München und direkt am Heiligen Berg. Und das vielleicht Erstaunlichste an ihren Konzerten und ihrem Plattendebüt „Upcycling the Blues“ ist, dass ihre eigenen Stücke mit den Songs von Heroen wie Blind Willie Johnson, Lightnin‘ Hopkins und Robert Johnson mithalten können. Normalerweise geht das ja in die Hosen, weil die Fallhöhe so groß ist: lauter Eigenkomposition und dazwischen grandiose Lieder von Robert Johnson und Tom Waits. Aber das erste, live aufgenommene Album von Señor Blues klingt wie aus einem Guss.

Die jung gebliebenen Musiker Schmidt, 65, und Höhne, 60, kennen sich seit bald vier Jahrzehnten. Früher spielten der Geschäftsführer und Umweltbeauftragte der Andechser Öko-Druckerei Ulenspiegel und der Architekt aus Solln in Formationen wie Basement Appartement und Williams Wetsox. Vor gut vier Jahren gründeten sie Señor Blues. Der Name spielt auf ihr fortgeschrittenes Alter an. Dass es einen sehr getragenen Jazz-Standard mit diesem Titel von Horace Silver gibt, merkten sie erst hinterher. Das Duo beschränkt sich aufs dringend Notwendige, auch musikalisch. Die Songs bewegen sich meist im Drei-Minuten-Format, die punktgenauen und erdigen Solos sind nie in die Länge gezogen. Rhythmisch sind Señor Blues ohnehin eine Wucht, auch deshalb, weil Höhne auf seiner um sechs Halbtöne tiefer gestimmten Isana-Gitarre die Rolle des Bassisten übernimmt. Dazu kommen Texte, die von der Reaktorkatastrophe von Fukushima handeln („Hard Radiation“) und vom Schlechtdraufsein („Crystal Roads“), die der schönen Gangsterbraut Catherine Rouvel aus dem Film „Borsalino“ huldigen („Borsalino Girl“) oder der eigenen Ehefrau („Tell me Baby now“). Schmidt schreibt die Lyrics, der Andechser ist schließlich auch Schriftsteller und hat schon die beiden Romane „Die Soldaten der Jungfrau“ und „Woher der Wind weht“ herausgebracht. Er singt mit einer Stimme, die fast schon das Gegenstück zum typisch in die Höhe schrillenden Bluesgesang ist und trotzdem passt: dunkel, sonor und nur ganz leicht angeraut.

Dass vier Jahre vergangen sind, bis Señnor Blues endlich ihre erste CD herausbrachten, hat seine Gründe. Die beiden Zeit lassen sich nämlich Zeit, ihre Songs auszuarbeiten. An einem neuen Stück über einen Zeitgenossen von Louis Armstrong, den Hornisten Fortis „Lick“ Holden, den weißen Bordellkunden erschlugen, weil er sich der Legende nach mit seiner Stiefschwester einließ, einer Prostituierten, tüfteln sie seit einem Dreivierteljahr. Das Lied wird bei ihrem nächsten Konzert Anfang Oktober in Seefeld zu hören sein, als Überleitung zum Anti-Rassismus-Film „In The Heat Of The Night“ mit Sydney Poitier. Das Debüt- Album sollte außerdem „nicht der siebte Aufguss von schönen Bluesstücken sein“, wie Schmidt sagt, sondern eine Konzept-CD vorwiegend mit eigenen Kompositionen. Und solche Stücke zusammenzutragen, das dauert eben
seine Zeit.

Der inzwischen pensionierte Druckerei-Chef und der Architekt aus Solln sind auf Umwegen zum Blues gekommen. Der jugendliche Schmidt hatte zuhause in einem Schrank die Geige seiner Großtante Rosa gefunden und sich zuerst als Violinist versucht. Mit 18 kam dann die „Initialzündung“, wie er sagt: Er kaufte in dem Münchner Laden „Shirokko“ die Platte „American Folk Blues Festival“, die er bald rauf und runter hörte. Einen der Songs, Lightnin‘ Hopkins‘ Version von „Baby please don’t go“, brachte er sich selbst auf der Gitarre bei. Das Lied gehört heute noch zu seinen Lieblingsstücken.

Höhne wiederum, der Gitarre spielt, seit er zwölf ist, begeisterte sich erst für Bluesrock, für Songs von Ten Years After also, Rory Gallagher und Jimmy Hendrix. Erst nach und nach entdeckte er Muddy Waters, J. B. Lenoir, Taj Mahal und Keb‘ Mo‘. Die zwei Puristen geben inzwischen 25 bis 50 Konzerte im Jahr, vorwiegend im Großraum München. 

Weniger ist sonst oft tatsächlich weniger. Aber in diesem Fall brachte das Minimalkonzept mehr: „Upcycling the Blues“ klingt voll, klar und so ungeschönt, wie der Blues klingen muss.

SZ vom 27.09.2018

Guido Rochus Schmidt und Tom Höhne am 25.09.2018 in Andechs
Señor Blues CD Cover – Upcycling the Blues